„I’m sorry
I can’t
Don’t hate me.“
Manche Abschiede fallen schwerer als andere.
Als ich die High School verlassen habe, da dachte ich sehr lange, dass ich nie wieder so gute Freunde finden würde, wie ich sie in dieser Zeit hatte. Doch dann war die High School vorbei, ich zog aus und um und das Leben ging weiter. Und siehe da: Man findet neue Freunde. Bessere als vorher. Menschen, die einen inspirieren. Seelisch, moralisch, ideell, finanziell.
Und so erlebt man dann viele Dinge gemeinsam. Und viel brennt sich ins Gedächtnis. Wie damals, als ich mit Chicken Wings nach meinem Date geworfen habe. Und wir Pot geraucht haben. Oder als ich stundenlang Schleichwerbung für Produkte einer Obstfirma gemacht habe.
Es waren gute Zeiten. Manchmal, da war es nicht leicht. Vor allem mit mir und den Männern. Aber, und das habe ich in all den Jahren gelernt: Männer sind das letzte. Und ersetzbar. Ich meine… come on.
Es gibt allerdings etwas sehr Wichtiges im Leben, das kann man nicht so leicht ersetzen. Und das ist mir jetzt wieder schmerzlich bewusstgeworden. Ich muss etwas ausholen und eine kleine Geschichte erzählen.
Mister Big und ich sind gemeinsam über einen großen städtischen Friedhof gelaufen. Viele Menschen verbringen hier ihr Leben nach dem Tod in der horizontalen Weite von vielleicht einem Quadratmeter. Solche Friedhöfe erzeugen in mir immer eine ganz spezielle Gefühlsmischung. Einerseits ist da die Angst. Angst vorm Sterben oder Angst, nicht alles geschafft zu haben, was man schaffen wollte. Andererseits ist da auch Respekt. Respekt vor dem Leben der nicht mehr unter uns Weihenden. Respekt vor Leben und Tod an sich. Respekt vor der Zeit. Auch Dankbarkeit mischt sich in meinen Cocktail der Emotionen. Und so sind es dann die Gedanken, die mich begleiten – bis nach Hause zur Tür, wo ich einen verschmitzten Kuss meiner Begleitung bekomme und romantisch gegen meinen Briefkasten gedrückt werde:
Das Leben ist kostbar. Und endlich. Wir müssen viele Abschiede in unserem Leben überstehen. Häufig stehen wir da und müssen mit dem schmerzlichen Verlust eines geliebten Menschen klarkommen. Und vielleicht bekommt man irgendwann Übung in diesen Dingen und es fällt mit der Zeit leichter, Abschied zu nehmen. Möglich ist aber auch, dass die Menschen, die uns wirklich etwas bedeuten, immer weniger werden und es so nur noch schwerer wird, Abschied von den Verbliebenen zu nehmen.
Und irgendwann ist es so weit, dass wir diejenigen sind, die gehen. Und dann ist der Moment gekommen, in dem Menschen um unseren Sarg stehen und ihre letzten Worte über uns verlieren, während wir noch ein wenig zuhören können. Und hier kommt meine größte Angst ins Spiel: Was werden diese letzten Worte über mich sein? „Sie war eine wundervolle Person, aber sie war nie genug.“ „Sie hat zu wenig gearbeitet und sie hat sich nie wirklich um ihren Schuhschrank gekümmert.“ „Eine mickrige Sammlung an Wertgegenständen.“ „Eine Schande für den Kapitalismus.“ „Ein Freigeist.“ „Mama, ich muss A-A und der Stift malt schon.“
Könnte ich damit leben? Nein. Denn ich wäre ja tot.
Aber da ich noch nicht tot bin, habe ich es genau jetzt in der Hand. Ich kann immer noch Inbound Marketer werden, mein Geld hart verdienen und es für überteuerte Markenprodukte ausgeben, um meinen Freunden zu imponieren und mich selbst besser zu fühlen. Ich kann den ganzen Tag vor dem Rechner hängen, digitalen Abfall produzieren und selbstverliebt aus meiner überteuerten Butze starren. Und ich kann mich jeden Tag neu erfinden – und immer wieder die Gleiche sein.
Und genau diese Gedanken bringen mich jeden Morgen aus dem Bett und zaubern mir ein Lächeln in mein viel zu schönes Gesicht.
Bei all dem ist es immer wichtig, sich selbst treu zu bleiben. Im Angesicht des Todes gibt es manchmal nicht viel, was uns tröstet. Aber eine Sache, die weiß ich jetzt:
Wenn alle gehen, dann bleibst immer noch du. Mein Schuh.